10.02.2010

Schneefall in Baku

Die treffendsten Worte zu den Ereignissen der letzten 48 Stunden oder so aus dem Mund eines gescheiten Aserbaidschaners: „Weißt du, sogar zu Zeiten des Krieges im Irak, da hatten die Menschen in Bagdad immer Strom. In Baku fällt einmal ein bisschen Schnee vom Himmel und schon funktioniert die Stromversorgung nicht mehr. Ist das nicht lustig?“ Wir müssen alle anfangen zu lachen. Ein weiteres überaus passendes Zitat: „Die Regierung dieses Landes kann uns nicht mal vor Schnee beschützen...“ Es ist aber auch wirklich skurril. Da befinde ich mich in der Hauptstadt des Landes mit einer rasend schnell wachsenden Wirtschaft, in der die Hälfte der Landesbevölkerung lebt, einer Stadt, in der um die vier Millionen Menschen wohnen, jeder zweite, der ein Auto hat, einen 20-Liter-Straßenpanzer von Toyota, BMW, Honda, Mercedes oder auch Mitsubischi fährt, und in der sich innerhalb von wenigen Wochen das Straßenbild derartig verändert, dass man es kaum wiedererkennt, aber wenn es mal ein paar Stunden schneit und die Straßen und Häuser mit fünf bis zehn Zentimetern Schnee bedeckt sind, dann gewinnt man den Eindruck es schneit zum allerersten Mal überhaupt. Der Strom fällt stundenlang aus, das Wasser fließt nicht mehr, um den Brotverkäufer an der Ecke, der sonst immer hinter einem Berg von frisch gebackenem, duftenden Brot hervor grinst, scharrt sich für Stunden eine nicht abnehmende Menschentraube, jeder darauf bedacht das nächste oder überhaupt heute noch ein Brot zu ergattern. Die Aufführungen in der Oper, in der Philarmonie und im Theater fallen aus, man steht vor verschlossenen Türen und wird darauf vertröstet doch in 3 Wochen, wenn die Darbietung nachgeholt wird, vorbei zu kommen. Es fahren keine Busse mehr, der Preis für eine Taxifahrt verdreifacht sich, überhaupt ist es ungewöhnlich leer draußen auf den Straßen, ganze Wohngebiete sind mehr oder weniger vom Rest der Stadt ausgeschlossen. Die Menschen in Yeni Yasamal zum Beispiel, einem Wohngebiet im Norden der Stadt, eine authentische Kulisse von dutzenden, 17-stockwerkigen, sowjetischen Wohnbauten, etwas höher gelegen als der Rest der Stadt, die Luftqualität ist am besten hier und damit ist die Wohnqualität trotz des nicht unbedingt hübschen Anblicks nicht zu verachten, die sind seit Freitag das ganze Wochenende wahrscheinlich auch am besten zuhause geblieben, denn man kommt die Straßen weder rauf noch runter. Der Anblick von nicht geräumten Straßen und Wegen in der ganzen Stadt, ist für mich nachwievor eindrucksvoll, in einem Land aufgewachsen, wo die erste Schneeflocke entweder ordnungsgemäß von einem Räumfahrzeug, einer (Salz-)Streumaschine oder unter dem körperlichen Einsatz eines pflichtbewussten Bundesbürgers von Bürgersteigen und Straßen entfernt wird. Und ich übertreibe nicht, es ist nämlich gar nicht so einfach, sich auf dem holprigen, eisigen Schnee-Eisgeröll fortzubewegen, ohne hinzufallen. Am besten geht es zu zweit, denn da kann man sich ja gegenseitig stützen und festhalten. Außerdem schafft es der Wind mit einer Windstärke von acht bis neun (wir erinnern uns daran, dass Baku, die Stadt der Winde ist, und gerade wenn es schneit, macht der Wind natürlich keine Pause) nicht einen wegzuwehen, wenn man seiner Kraft nicht alleine ausgesetzt ist. Zum Glück gerade dann nicht, wenn man sich im rutschigen Eismatsch mitten auf einer mehrspurigen Hauptverkehrsstraße stehend, gegenseitig festhält und die Straßenüberquerung aufgrund der orkanartigen mit Eisregen gepaarten Böen stoppen muss, und sich dabei nur wünscht, dass der Sturm eine kurze Pause macht, bevor man von einem vorbeirutschenden Auto mitgenommen wird.
Nach vier Stunden Transkription meldet sich mein Akku dann letztendlich ab, außerdem wird es dunkel und ich beschließe meiner kalten, dunklen Wohnung den Rücken zu kehren und meine Arbeit bei einer meiner aserbaidschanischen Lieblingsfamilien fortzusetzen, wo es noch Strom gibt und Aussicht auf heißen Tee. Ich schlittere ohne Sturz und größere Behinderungen zur Metrostation fahre drei Stationen, steige wieder aus und freue mich, dass gerade in diesem Augenblick ein einziger (?) Bus zu fahren scheint, in den sich alle wartenden Fahrgäste quetschen. Fest eingedrückt zwischen dutzenden anderen Menschen stehend, bewege ich mich zwar sicher auf mein Ziel zu, aber habe keine Ahnung, wann meine „Haltestelle“ kommt. Irgendwann glaube ich zwischen dem Schneegestöber eine vertraute Häuserzeile ausfindig gemacht zu haben und zwänge mich aus dem Bus in die Eiseskälte. Nachdem der Bus weitergefahren ist und ich einsam und alleine am Straßenrand tief im Schnee-Eis-Wasser versinke, merke ich, dass ich zu früh ausgestiegen bin und jetzt noch eine Weile laufen musste. Seufzend mache ich mich auf, die riesige, mehrspurige Straße zu überqueren. Inzwischen liegt die Temperatur leicht über dem Gefrierpunkt, denn das Eis schmilzt bzw. die Straße, der Weg, steht zehn Zentimeter oder mehr unter Eiswasser. Gut, meine Schuhe habe ich in den letzten Wochen unter den Straßen- und Wetterbedingungen sowieso schon ruiniert, aber nasse Füße will ich trotzdem nicht unbedingt bekommen. Aber es führt kein Weg daran vorbei durch das knöcheltiefe Eiswasser zu waten, denn die Straßen sind hier nicht so gebaut, wie bei uns, dass das Wasser ganz einfach am Rand abfließen kann. Es fließt auch nirgendwo anders hin, es bleibt einfach dort wo es ist. Mit eiskalten, patschnassen Füßen in schwimmenden Schuhen, schlotternd und total fertig mit den Nerven und wahnsinnig schlecht gelaunt, erreiche ich nach einem 15-minütigen Kampf mit Wind, Eis und Schnee, endlich mein Ziel. Mir ist inzwischen alles egal und ich frage mich, wie ich jemals wieder nach Hause kommen soll. Dann betrete ich die kleine zwei-Zimmer-Familienwohnung, die Mutter strahlt mich an, nimmt mich in den Arm und drückt mir einen Kuss auf die Backe, der Vater grüßt mich freundlich vom Sofa aus, es ist warm, ich höre den Teekessel auf dem Herd und meine ganze schlechte Laune und Unwohlsein bleibt einfach vor der Tür. Sofort muss ich meine Hose und Socken ausziehen und bekomme frische, dicke Strümpfe und eine weite, weiche, natürlich viel zu kurze Hose und werde mit einer Tasse dampfenden Tee an den Küchentisch gesetzt. Neben Schokoladen in unterschiedlichster Ausführung wird mir noch selbstgebackenes Brot, hausgemachter Käse und eine köstliche Aprikosenmarmelade vorgesetzt. Ich bin wie so oft beeindruckt, gerührt und hocherfreut über die Wärme und Zuneigung, die ich in meinen aserbaidschanischen Familien erfahre, die Selbstverständlichkeit, mich wie das eigene Kind zu behandeln. Aufgewärmt, gestärkt und wieder super Stimmung will ich mich weiter an meine Transkription setzen. Ich fahre den Laptop hoch, mein Akku hat zwei Minuten um Saft zu tanken und dann fällt der Strom aus. Aber auch wenn ich letzten Endes durch die halbe Stadt gefahren bin, um dann nur Tee zu trinken und Brot mit Marmelade zu essen, wie hätte ich meine Zeit unter diesen Bedingungen besser nutzen können?

давай сыграем в мафию

MAFIA- seit neuestem fester Bestandteil der aserbaidschanischen Abendgestaltung, sozial, unterhaltsam, lustig, spannend, unter Umständen durchaus kaukasisch temperamentvoll!

Es ist irgendein beliebiger Tag der Woche, abends nach 21 Uhr, ich sitze zusammen mit 15 jungen Männern in einem separaten Raum des Teeklubs „R&S“, wir sitzen alle zusammen im Kreis auf weichen Sofas und Sesseln, in der Mitte steht ein Tisch auf dem sich (halb-)volle Aschenbecher, (halb-)volle Redbull-Dosen, diverse Handys, Feuerzeuge, Zigarettenschachteln (v.a. der Marke Kent), (halb-)volle Teetassen, Zuckerdosen und Servietten tummeln. Die Luft ist dick, stickig, verraucht, inzwischen auch vertraut, 15 sitzen, einer steht, der Moderator Sadiq. Er weist alle darauf hin, dass das Spiel möglichst auf Russisch gespielt werden soll, da nicht alle Aserbaidschanisch verstehen ggf. wird simultan übersetzt. Auch sollen möglichst nur drei gleichzeitig rauchen, aus Rücksichtnahme auf die anwesende Frau und andere Nichtraucher. Das Licht wird gedimmt, Sadiq verteilt weiße Umschläge, in jedem befindet sich ein Foto auf dem entweder Pierre Richard (als friedlicher Bürger), Anthony Hopkins (als Maniak), Sherlock Holmes (als Kommissar), Al Pacino (als Don Mafia) oder Al Pacino und Robert de Niro (als gemeine Mafia) abgelichtet sind. Jeder ist angewiesen, ohne dass es jemand anderes im Raum mitbekommt, sich mit seiner Identität im folgenden Mafia-Spiel vertraut zu machen. Ich halte meinen Umschlag über meinen Kopf und versuche in der Dunkelheit zu erkennen, ob mich auf meiner Karte zufällig Anthony Hopkins verschmitzt anlächelt, die Karte ziemlich hell ist (wegen der weißen Haarpracht von Pierre Richard) oder ziemlich dunkel ist (wegen der fehlenden weißen Haarpracht von Al Pacino bzw. Robert de Niro). Jeder kennt seine Identität und Sadiq sammelt die Karten wieder ein. Das Licht wird aufgedreht, das Spiel beginnt. „Alle lehnen sich zurück und schließen die Augen. Nur die Mafiaspieler öffnen die Augen und erkennen sich gegenseitig. Wer ist Don Mafia?“ Don Mafia gibt sich zu erkennen, so dass die anderen zwei Mafiaspieler wissen, wer das letzte Wort hat und auch Sadiq weiß, wer gemeine Mafia ist und wer Don Mafia. „Mafia schließt wieder die Augen. Maniac öffnet die Augen. Maniac schließt die Augen. Der Kommissar öffnet die Augen. Der Kommissar schließt die Augen. Alle haben die Augen zu. Guten Morgen für alle!“ Alle öffnen die Augen, blinzeln sich an. „Ihr habt zwei Minuten zur Diskussion.“ Diskussion. Wie soll man denn diskutieren, wenn man keine Ahnung hat, wer Mafia sein könnte und wer nicht, wie die einzelnen Spieler spielen, argumentieren, was ihre Strategie ist? Aber das ist ja genau Sinn und Zweck des Spiels, wenn man von Sinn und Zweck sprechen möchte ;). Ziel der Mafia ist es, möglichst alle Bürger umzubringen, Ziel der Bürger inklusive Kommissar ist es alle Mafiosos zu entlarven und damit aus dem Spiel zu entfernen. Ziel des Maniac ist es einfach nur bekloppt zu sein und mehr oder weniger wahllos andere Spieler umzubringen. Umgebracht wird entweder in der Mafianacht (Mafiaspieler wachen auf und suchen sich ihr Opfer), in der Maniacnacht (Maniac erwacht und sucht sich sein Opfer) bzw. in der Kommissarsnacht, wenn der Kommissar einen Mafiaspieler entlarvt. Das alles ohne dass die anderen Spieler wissen, welche Identität die anderen haben, wem man trauen kann und wer gerade lügt wie gedruckt. Ich verstehe nur die Hälfte der Diskussion, Hasan ergreift zuerst das Wort, Nijat fügt seine Meinung hinzu, ein paar sind irgendwie gegen Vüsal. Ich denke es ist Fuad, weil der immer Mafia ist. Kamran ist genau wie Ruslan und Anar eher zurückhaltend, sagt gar nichts. Das kann durchaus auch ein Zeichen dafür sein, dass er Mafia ist, sich immer schön zurückhalten, um den Verdacht nicht auf sich zu lenken. Mit einem „Ruhe!“ beendet Sadiq abrupt die Diskussion und wir werden der Reihe nach dazu aufgefordert einen uns verdächtigen Spieler anzuklagen. Jedes Mal wenn der eigene Name fällt, muss man einen Finger ausstrecken, wer am Ende die meisten Finger zeigt, muss sich verteidigen, die zur Verteidigung notwendige Fingeranzahl ist abhängig von der Anzahl noch spielender Mafiosi im Spiel. Ich muss grinsen, denn wir werden nicht nur mit unserem Vornamen angeredet, sondern in der aserbaidschanischen Höflichkeitsform mit Frau Elisabeth, Herr Vüsal, Herr Rahim, usw. an. Auf Aserbaidschanisch heißt es dann Elisabeth xanim (sprich: chanum; heißt Frau), Vüsal müellim, Rahim müellim usw. (sprich: mällim, heißt Lehrer, ist die höfliche Anrede für Lehrer, Professoren, Chefs, usw.) . Die Anklagerunde hat ergeben, dass sich Shahin müellim, Tofiq müellim und Ali müellim verteidigen müssen. Sie haben jeweils 30 Sekunden Zeit. In der ersten Runde gibt es noch nicht viel zu sagen, außer, dass man natürlich nicht Mafia ist und es auch keine Beweise gegen die Angeklagten gibt. Tofiq fügt grinsend zwischen zwei Zügen aus seiner riesigen Schischa, die eigentlich immer, wenn ich ihn treffe vor ihm thront, oder er thront hinter ihr, wie auch immer, hinzu, dass es überhaupt keine Anhaltspunkte gegen ihn gibt und wir ihn bitte nicht raus wählen sollen. Die Verteidigungsrede ist beendet und wir stimmen ab, jeder hat eine Stimme, Enthaltungen sind zulässig. „Wer glaubt Shahin müellim ist Mafia?“ Anar und Farid melden sich. „Wer glaubt Tofiq müellim ist Mafia?“ Niemand meldet sich. „Wer glaubt Ali müellim ist Mafia?“ Rahim, Tofig, Kamran, Vüsal, Fuad und Hasan melden sich. Damit ist Ali aus dem Spiel gewählt oder auch, im Mafiajargon, getötet worden. Sadiq verkündet, dass Ali als friedlicher Bürger von uns gegangen ist. Ein Seufzer geht durch die Runde, keine Mafia gefunden und einen Bürger weniger. Ein paar lachen und andere beteuern, dass sie gleich wussten, dass Ali nicht Mafia ist. Sadiq greift beherzt durch, alle sollen still sein, sich zurücklehnen und die Augen schließen. Nacheinander wachen die Mafioso, der Maniac und der Kommissar auf, verrichten ihre Taten und schlafen wieder ein. Ich halte als friedlicher Bürger die ganze Zeit über meine Augen geschlossen, höre nur Sadiq das Spiel moderieren und warte darauf, dass alle wieder aufwachen dürfen. „Доброе утро всем (Guten Morgen für alle!) – und wir öffnen alle die Augen. Nijat wurde von der Mafia umgebracht, Shahin wurde vom Maniac umgebracht und der Kommissar war super und hat einen Mafiaspieler enttarnt: Anar war Mafia und ist jetzt aus dem Spiel. Die „Toten“ stehen auf und stellen sich neben den Sitzkreis, um das Spiel schweigend und ohne Irritationen zu stiften, weiter zu verfolgen. Es sind noch elf Spieler im Spiel, darunter zwei Mafiosi, ein Maniac, ein Kommissar und sieben friedliche Bürger. Die zweiminütige Diskussionsrunde beginnt wieder von neuem. Hasan ist wieder der erste der losargumentiert, dass es klar sei, dass Vüsal Mafia sein müsste, weil er erstens vorher gegen Ali gestimmt hat, der wie wir alle inzwischen wissen, friedlicher Bürger war und zweitens von Nijat, der in der Mafianacht umgebracht wurde, schon in der ersten Runde beschuldigt wurde. Vüsal bekräftigt daraufhin, dass Nijat keine Ahnung hatte, wer Mafia ist, wie er, weil er auch friedlicher Bürger war bzw. ist, er selber keine Mafia ist und gegen Ali in der ersten Runde auch noch fünf andere gestimmt haben. Er glaubt viel mehr, dass Fuad Mafia ist. Hasan versucht andere Spieler auf seine Seite zu bekommen. Ich denke bevor Vüsal Mafia ist, ist es eher dieser Hasan, so viel, wie der redet und welche haarsträubenden Argumente er aus dem Ärmel zaubert. Der war mir schon von Anfang an suspekt. Ich werfe in eher bröckeligem Russisch meine Meinung zum Thema ein, aber die meisten scheinen die wohl nicht recht ernst zu nehmen und lächeln mir nur freundlich zu. Auch Kamran glaubt plötzlich, dass Vüsal Mafia ist. Es wird heftig hin und her diskutiert bis Sadiq dem Ganzen mit einem eindeutigen „Тихо!“ (Ruhe!) schließlich ein Ende bereitet. Nach der Anklagerunde müssen sich Vüsal und Hasan verteidigen. Vier melden sich gegen Hasan und sieben gegen Vüsal, damit wird Vüsal als friedlicher Bürger von den anderen Spielern umgebracht. Ich sage, dass ich gleich wusste, dass Vüsal nicht Mafia war und Farid beklagt sich laut, dass er auch wusste, dass Vüsal nicht Mafia sein kann. Mir ist inzwischen sonnenklar, dass auf jeden Fall Hasan und eventuell auch Kamran oder Fuad die übrigen zwei Mafioso sind. Das Spiel geht weiter. Auf eine Mafianacht, folgt wieder eine Maniac- und Kommissarsnacht, es werden Spieler getötet, in den Anklagerunden raus gewählt, wild argumentiert, usw. bis am Ende nach zwei weiteren Runden Hasan und Fuad als Mafiosi entlarvt werden und die übrig gebliebenen Bürger das Spiel gewonnen haben. Stundenlang, Spiel um Spiel geht der Abend so weiter, keiner wird offensichtlich müde vom Mafiaspielen und alle wollen unbedingt noch ein weiteres und noch ein weiteres Spiel spielen. Bis sich zwischen eins und zwei Uhr nachts die Runde nach und nach auflöst, sich die Jungs gegenseitig liebevoll mit Küsschen verabschieden, mir die Hand geben und sich alle schon auf die nächste Mafianacht freuen. Diese Mafiaspiele in R&S nur mit Aserbaidschanern, von denen ich zwei richtig gut kenne und mit den anderen bis jetzt nur Mafia gespielt habe, ist für mich ‚Mafia XXL‘, mit vielen Spielern, knallharten Regeln, einem taffen Moderator und stundenlang... Ich habe den Eindruck, dass man sich eigentlich nur in diesem Teeklub trifft, um Mafia zu spielen. Gerade werde ich aber darauf hingewiesen, dass dieses dauernde Mafiaspielen unter jungen Menschen abends vor allem im Teehaus eine eher neue Erscheinung ist und auch nur in bestimmten Kreisen gespielt. Was das für bestimmte Kreise sind, kann ich allerdings nicht herausfinden, aber ich glaube, durchaus sympathische Kreise…

Die softe Variante des Mafia-Spiels habe ich von Kamran in meinem Lieblingsteehaus „Shesh-Besh“ gelernt. Damals im November 2009 waren wir zu fünft, Kamran, Vüsal, Togrul, Cathleen und ich. Kamran hat moderiert und gleichzeitig mitgespielt. Wir haben auf Englisch gespielt, ohne Maniak mit zwei Mafioso und der Kommissar kam auch erst ein paar Spiele später dazu. Abhängig vom Kontext in dem wir uns treffen, spielen wir seitdem eigentlich immer Mafia. Es ist quasi eine Institution geworden und aus einem abendlichen Treffen im Teehaus (welches es auch sein möge) nicht mehr wegzudenken. Möglich ist es, dass man auch bald in Deutschland überall und immerzu Mafia spielt, denn ich habe das Spiel zusammen mit den aserbaidschanischen Teilnehmern in unserer „Entdeckendes Lernen“-Gruppe im Januar 2010 in Baku eingeführt. Daraufhin haben wir es nicht nur zum ersten Mal während dieser Fortbildung gespielt, sondern anschließend auch bei Tee, Keksen, Schokolade, aserbaidschanischem Rotwein und Sheki Pakhlava in unserem Homestay in Sheki auf unserem Kurztrip in den aserbaidschanischen Norden. In diesem Sinne „Alle kennen ihre Identität und schlafen ein….nur die Mafia wacht auf!“